Lesen mit den Augen

Veröffentlicht am 11. März 2024 um 09:57

Liest man mit den Augen oder mit dem Gehirn? Diese Frage kann man unterschiedlich beantworten. Lesen ist an sich eine komplexe physiologische Tätigkeit, die verschiedene Bereiche des Gehirns und des visuellen Systems umfasst.

 

 

Beim Lesen beginnt der Prozess mit der Aufnahme visueller Informationen durch die Augen. Das Licht fällt auf die Netzhaut im hinteren Teil des Auges, wo sich spezialisierte lichtempfindliche Zellen, die sogenannten Fotorezeptoren, befinden. Die Fotorezeptoren wandeln das Licht in elektrische Signale um, die dann über den Sehnerv zum Gehirn weitergeleitet werden. Die elektrischen Signale gelangen dann zum primären visuellen Kortex im hinteren Teil des Gehirns. Dort werden sie verarbeitet und in spezifische Merkmale wie Formen, Konturen und Buchstaben umgewandelt. Das Gehirn nutzt diese Informationen, um Buchstaben und Wörter zu erkennen und zu interpretieren.

 

Nachdem die visuelle Information im Gehirn verarbeitet wurde, erfolgt die sprachliche Interpretation. Die Wörter und Sätze werden mit dem vorhandenen Wortschatz und dem linguistischen Verständnis des Lesers abgeglichen. Das Sprachzentrum im Gehirn hilft dabei, die Bedeutung der gelesenen Wörter zu verstehen und sie in einen Sinnzusammenhang zu bringen.

 

Während wir lesen, bewegen wir unsere Augen kontinuierlich über den Text. Es gibt drei verschiedene Bewegungsmuster der Augen während des Lesens. Zunächst springen die Augen schnell und ruckartig von einem Punkt zum anderen. Die schnellen, ruckartigen Augenbewegungen nennt man Sakkaden. Das Fixieren des Gelesenen an bestimmten Punkten nennt man Fixation. Zudem erfolgt eine kontinuierliche Bewegung namens Regression, bei der die Augen wieder zurückkehren, um bestimmte Wörter erneut zu lesen oder zu überprüfen.

 

Lesen erfordert auch die motorische Kontrolle der Augen, um die entsprechenden Zeilen und Wörter zu erfassen. Dieser Prozess erfolgt in enger Zusammenarbeit mit den visuellen und kognitiven Bereichen des Gehirns.

 

Das Lesen ist als physiologische Tätigkeit ein komplexer Prozess, der die Aufnahme und Verarbeitung visueller Informationen, die Sprachverarbeitung, kognitive Fähigkeiten, Augenbewegungen und motorische Kontrolle umfasst. Das Zusammenspiel dieser physiologischen Prozesse ermöglicht es uns, geschriebene Wörter zu verstehen und Informationen aus Texten zu extrahieren.

 

Quelle:

Landau, A. (2016): Wie das Gehirn liest. Die neuronale Prozesse beim Lesen. Marburg: Tectum.